Herbstgedicht

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Die Pusteblume auf der Sulzbachaue

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Pusteblume

Heute gibt es eine kleine Geschichte, erzählt von Martina Decker.

Die Pusteblume auf der Sulzbachaue
© Martina Decker

Auf der Sulzbachaue herrschte helle Aufregung.
Genosse Wind hatte es den Tieren und Pflanzen zugetragen: Der Mann, der seit ein paar Tagen regelmäßig hier herumspazierte, war ein bekannter Fotograf. „Seine Fotos seien einfach wunderbar“ wisperte er, und wer von ihm fotografiert würde, sei binnen weniger Tage weltberühmt.
Mutter Löwenzahn wollte es nicht glauben. Sie erinnerte sich gut an den Fremden, der stundenlang mit seiner Kamera vor ihr gehockt hatte. Ein wenig geschmeichelt war sie damals schon gewesen. Sie, eine doch eher unscheinbare Wiesenblume, von vielen als Unkraut beschimpft, wurde fotografiert! Doch dass sie jetzt berühmt sein sollte? Ihr Bild in aller Herren Länder? Nein, das war nun wirklich absurd.
Aber um ganz sicher zu sein, schickte sie Sperling Max zur nächsten Wohnsiedlung.
„Flieg und schau, ob du irgendwo in ein Fenster sehen kannst!“ trug sie ihm auf. „Der Wind hat erzählt, die Menschen haben ein Gerät, das sich Computer nennt. Dort sollen die Bilder zu sehen sein.“
Sofort machte sich Max auf den Weg. Vor vielen Fenstern flatterte er herum, ohne ein solches Gerät oder gar Bilder von Mutter Löwenzahn zu entdecken. Es dämmerte bereits und erschöpft ließ er sich auf einem schmalen Fensterbrett nieder. Müde hockte er da und gerade wollten seine kleinen Äuglein zufallen, da zog ein seltsam flackerndes Licht seinen Blick auf sich. Das musste eines dieser Geräte sein, von denen der Wind erzählt hatte. Aufmerksam verfolgte Max das weitere Geschehen. Immer wieder tippte die Frau davor auf dem Ding herum und … Max hielt den Atem an. Unglaublich! Ein Bild von Mutter Löwenzahn. Und noch eins, und noch eins…
Max war ganz aufgeregt. Wenn er sich beeilte, konnte er die Wiese noch erreichen bevor es ganz finster war. Sofort flatterte er los. „Mutter Löwenzahn! Mutter Löwenzahn!“ tschilpte er schon von Weitem. „ Mutter Löwenzahn! Der Wind hatte Recht. Du bist berühmt. Dein Bild ist in dem großen Gerät.“
Die Kunde verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der Sulzbachaue. Mutter Löwenzahn war berühmt. Man brauchte keine Angst haben vor dem Fremden mit der Kamera.
Schon am nächsten Tag kamen auch die vorsichtigsten Tiere aus ihren Verstecken und öffneten die Blumen ihre Blüten besonders weit. Würde er heute kommen? Und würde er sie entdecken und fotografieren?
Stunde und Stunde verging. Die Hufeisenazurjungfer sah ihn zuerst. Sofort brachte sie sich in Positur und ließ ihren Leib in herrlichem Blautürkies leuchten. Die Bläulinge vollführten für ihn einen Tanz und selbst der Kleine Fuchs überwand seine Scheu und lächelte schüchtern in die Kamera.
Und auch der Fremde lächelte.
Dankbar machte er sich geraume Zeit später auf den Heimweg. Die Natur hatte ihm wieder mal ein wunderbares Geschenk gemacht. Nun wollte er es mit der Welt teilen. Wollte diese Bilder voller Schönheit und Anmut verbreiten und die Menschen damit erfreuen.

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Das Foto entstand am 2. Juni 2009 auf der Sulzbachaue in Dudweiler, kurz vor der Abzweigung nach Herrensohr.

Written by Ronald

5. Juni 2009 at 16:10

Das Geheimnis der falschen Braut

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Die falsche Braut

Die falsche Braut

Bei diesem Anblick wird wohl so mancher den Bräutigam beneiden. Aber vielleicht sollte er einfach nur mal etwas genauer hinschauen.

Das Foto entstand im April 2003 – und April, April – bei der Dame auf dem Beifahrersitz handelt es sich um eine Schaufensterpuppe. Aber was soll’s – schön ist sie allemal!

Und weil die Braut so schön ist, ist mir über Nacht ein ebenso schönes Märchen zu diesem Foto eingefallen.

Das Geheimnis der falschen Braut
© Ronald Henss

Es war einmal ein edler Prinz, jung, tapfer und schön wie kein anderer je ward gesehn. Das Volk verehrte seinen Prinzen und sehnte den Tag herbei, an dem er eine wunderschöne Braut erwählen und zur Königin des Reiches küren würde. Tief in seinem Innern trug der Prinz das Bild einer Edlen, deren Schönheit alles überstrahlte. Ihr, nur ihr alleine wollte er sein Herz schenken und sie, nur sie wollte er zur Königin und Mutter seiner Kinder machen.
Und so zogen Gesandte und Späher durch die Lande und suchten nach der edlen Auserwählten. Fürsten und Könige aller Länder boten die Hand ihrer Töchter. Doch jedes Mal sprach der edle Prinz: „Das ist nicht die rechte, der mein Herz gehört.“
Und so zogen die Jahre ins Land. Viele lange Jahre; und der edle Prinz – immer noch jung, tapfer und schön – war noch immer auf der Suche nach der rechten Braut.
Als der edle Prinz eines Tages über den Marktplatz in Dudweiler ritt, geschah das Wunder. Schon aus der Ferne sah er sie. Dort saß in einem offenen Cabriolet, das lockige Haar umhüllt mit einem großen weißen Schleier, eine Braut so edel und schön wie es die Welt noch nie gesehn. Da schwang sich der edle Prinz vom Pferde und schritt auf die Schöne zu.
Da rief einer der an der Würstchenbude Stehenden: „He, was glotzt du da so dumm!“ Und dann lachte der Bursche: „Das ist eine Schaufensterpuppe, die ich gleich ins Staatstheater fahren werde. Ich muss nur noch meine Wurst essen. Lass bloß deine fettigen Finger von der Braut!“
Da wurde der edle Prinz zornig und er schlug dem Burschen die Currywurst aus der Hand. Und während der Menge vor Staunen die Münder offen standen, schritt der edle Prinz zum Cabriolet, verbeugte sich vor der Schönen und sprach: „Edle Schöne, ich bin gekommen, dich zu meiner Braut zu nehmen, dich zu meiner Königin und zur Mutter meiner Kinder zu machen. Und so gewähre mir einen Kuss.“
Als er sie küsste, blendete ihn ein greller Blitz und es ertönte ein Donnerhall und vor ihm stand eine uralte hässliche Hexe. Mit einer scheußlichen Rabenstimme krächzte sie: „Du Trottel, was starrst du mich so an! Ich bin eine verwunschene Hexe und ich warte nun schon Hunderte Jahr’, auf dass ein dämlicher Prinz mich durch seinen schmierigen Kuss erlöst.“
Und mit lautem Zischen flog die Hexe auf einem Besen durch die Lüfte zum Brennenden Berg, wo sie durch eine Felsspalte ins Bergesinnere verschwand. Dort sitzet sie in der höllischen Glut und schickt heiße schweflig stinkende Rauchschwaden durch die Felsspalten.
Der edle Prinz aber wurde in einen riesengroßen grünen steinernen Frosch verwandelt und in den Garten der Villa eines Bergwerkdirektors am Fuße des Brennenden Berges verbannt. Dort sitzet der große grüne steinerne Frosch sommers wie winters, tagaus, tagein, bei Wetter und Wind, bei Regen und Schnee, bei Hitze und Trockenheit und wartet, dass ihn ein hässliches Mägdelein küsst. Und wenn ihn keine geküsset hat, so wartet er dort noch heute.

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Und hier gibt es *** Das Märchen vom Geheimnis der falschen Braut auch mit Bildern vom Prinzen, dem Marktplatz, der Hexe, dem Brennenden Berg, der Villa und dem Frosch ***

Written by Ronald

7. Februar 2009 at 17:03